Wie kann man Menschen erreichen, die im politischen Diskurs unterrepräsentiert sind und wie gelingt gute Beteiligung? Um diese und andere Fragen drehte sich der erste Austausch zwischen den LOSLAND Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung.
Ein wichtiger Bestandteil des LOSLAND Projekts ist die Vernetzung der Kommunen untereinander. Über die einzelnen Beteiligungsprozesse hinaus soll den Kommunen ermöglicht werden, von- und miteinander zu lernen und Erkenntnisse auszutauschen. LOSLAND will so Wissen zu Beteiligung bündeln und die Rahmenbedingungen für politische Teilhabe in den Kommunen verbessern.
Im März fand ein erstes Vernetzungstreffen der LOSLAND Kommunen zu „Aufsuchender Beteiligung und Diversität” statt. Dieses Thema und die Frage, wie man Menschen erreichen kann, die sich bisher wenig beteiligt haben, beschäftigt die Kommunen in der Planungsphase der Bürgerräte. Neben den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern nahmen an dem Vernetzungstreffen auch eine Stadträtin und mehrere LOSLAND Verantwortliche aus den Verwaltungen teil.
In der Vorstellungsrunde berichten die Teilnehmenden von ihren Kommunen und den jeweiligen Bedingungen. Erfahrung mit Beteiligung, so wird schnell deutlich, gibt es in allen Kommunen – zum Beispiel in Form von offenen Info-Veranstaltungen, Workshops, Bürgerentscheiden oder Umfragen. Es sei jedoch nicht selten, so Ulrike Otto, Stadträtin von Homberg (Efze), dass diese in Frustration endeten, etwa wenn gesammelte Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger am Ende in einer Schublade landen, weil die politische Einbindung der Ergebnisse nicht geregelt ist. Von ähnlichen Erfahrungen, die in Unzufriedenheit mündeten, berichtet auch Katrin Dorfmüller, stellvertretende Bürgermeisterin von Lindau.
Verankerung von Kompetenzen für Beteiligung
Die Teilnahme der Kommunen an LOSLAND geht mit einer intensiven Planungs- und Transferphase einher, um die gute politische Einbettung des Beteiligungsverfahrens zu gewährleisten. Ein so umfassender begleiteter und moderierter Prozess ist für die meisten Kommunen neu und erfordert von der Verwaltung und den ehrenamtlichen Ratsmitgliedern viele Kapazitäten. Indem sie in die Beteiligungsprozesse von Anfang einbezogen werden, möchte LOSLAND dazu beitragen, die Kompetenzen für Beteiligung in den Kommunen zu verankern.
Einige der größeren Kommunen haben in der Verwaltung ausgewiesene Stellen für Bürgerbeteiligung. Andreas Igel, Bürgermeister von Ludwigsfelde, fragt beim Vernetzungstreffen, wie dies in der Praxis gelebt werde. In Ludwigsfelde gibt es bisher keine solche Stelle. Alexandra Abbrederis Simpson, Beauftragte für Bürgerbeteiligung der Stadtverwaltung Lindau, erzählt, sie sehe ihre Rolle als Brückenbauerin. In Lindau wurde bereits ein Bürgerrat mit gelosten Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt, den sie begleitet hat. Der Umgang sei sehr wertschätzend gewesen und es habe einen fruchtbaren Austausch gegeben. Man wolle beim nächsten Bürgerrat mit LOSLAND jedoch auf mehr Diversität achten und die Texte niedrigschwelliger formulieren, um zum Beispiel mehr Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen.
Ähnlich wie die Lindauerin sieht Maik Schrey vom Fachbereich „Ratsangelegenheiten und Bürgerdialog” in Gütersloh seine Rolle darin, zu lernen, wie die Beteiligung der Einwohnerschaft gut gelingt und sich Wissen anzueignen – zum Beispiel zum Thema Losverfahren. Es ist ihm ein Anliegen, auch skeptische Personen davon zu überzeugen, dass gute Beteiligungsformate einen echten Mehrwert für Politik, Verwaltung und Bürgerschaft haben.
Andere als die „üblichen Verdächtigen” erreichen
Im Anschluss an die Vorstellungsrunde ist als Expertin Katharina Liesenberg, Mitgründerin und Vorständin der Initiativen Es geht los und Mehr als wählen, eingeladen, um Einblicke in ihre Arbeit zu geben. Sie beschäftigt sich in Theorie und Praxis mit zufallsbasierten Beteiligungsformaten. Im Fokus ihrer Arbeit steht, Stimmen hörbar zu machen, die üblicherweise im politischen Diskurs unterrepräsentiert sind.
Sie erklärt die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten des Losverfahrens und berichtet von ihren Erfahrungen mit aufsuchenden Verfahren: Vom Klingeln an Haustüren, das Offenheit und Neugierde gegenüber den Menschen erfordere, die von einer Teilnahme überzeugt werden sollen; und von der Kontaktaufnahme mit bestimmten unterrepräsentierten Zielgruppen über Vereine und Verbände – zum Beispiel Menschen mit Behinderung oder Obdachlose.
In der Abschlussrunde kamen die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen noch einmal abschließend zu Wort. Sie wünschen sich eine Fortsetzung des Austauschs und möchten wissen, wie die anderen Kommunen das Thema der Enkeltauglichkeit bearbeiten und das Losverfahren anwenden. Auch die Erstellung einer gemeinsamen digitalen Plattform wurde diskutiert.
Mosaik der LOSLAND Kommunen
Die fortwährende Vernetzung der LOSLAND Kommunen soll ermöglichen, dass ein Mosaik entsteht. Ziel ist es, am Ende Empfehlungen an die Landes- und Bundespolitik zur Stärkung der Kommunen und politischen Teilhabe formulieren zu können. Schon in diesem ersten Treffen kristallisieren sich einige Punkte heraus. So wünscht sich Andreas Igel, Bürgermeister von Ludwigsfelde, dass Ergebnisse, die mit den Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet werden, eine höhere Priorisierung erhalten. Dabei komme es vor allem auch auf die Landespolitik an, denn die Umsetzung von Empfehlungen scheitere häufig nicht an den Kommunen.
Um die großen Herausforderungen unserer Zeit wie den Klimawandel und den sozialen Zusammenhalt anzugehen, braucht es dezentrale Lösungen und die Mitwirkung der Vielen. Bei der Aktivierung der Bürgerschaft für die öffentlichen Belange kommt den Kommunen eine entscheidende Rolle zu. Eliza Diekmann, Bürgermeisterin der LOSLAND Kommune Coesfeld, hat es schön zusammengefasst: „Wir schauen immer nach Berlin und Brüssel und in Richtung der Landesregierungen, wo viele Dinge neu vorangebracht werden. Aber es sind die vielen Kommunen, die nachher in der Umsetzung gefragt sind.”